Wein gekippt?

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Mitglied seit 19.06.2007
13 Beiträge (ø0/Tag)

Hab da mal eine sau blöde Anfänger anti-experten Frage:
Was zeichnet einen gekippten Wein aus? Ist das nur dass er nicht mehr so schmeckt wie er sollte und seine Aromen und so verloren hat, oder schmeckt der dann so richtig nach Essig oder schimmlig oder was weiß ich...
Habe nämlich viele alte weine bekommen die ich so nach und nach trinken werde aber nie genau weiß ob die noch gut sind und nicht evtl schon gekippt.
Vielen Dank schon mal
B-Block
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Gelöschter Benutzer

Mitglied seit 12.03.2005
3.412 Beiträge (ø0,49/Tag)

Hallo B-Block,

um was für Weine handelt es sich denn bei deinen alten Schätzchen?

\"Gekippt\" ist ein sehr relativer Begriff. Ich versuche, mal den Werdegang eines ordentlichen restsüßen Rieslings (damit kenne ich mich am besten aus) zu beschreiben: In den ersten 2 Jahren stehen die Frucht und der Zucker noch enorm im Vordergrund, der Wein wirkt eher wie eine (durchaus leckere) Limonade. Mit der Zeit gehen die Fruchtnoten immer mehr zurück, der Zucker ist nicht mehr so dominant, und andere Komponenten (Mineralität) kommen besser zur Geltung. Nach 5-10 Jahren (bei manchen Weinen je nach Traubenmaterial und Vinifikation auch noch später) treten erste Altersnoten auf. Diese erinnern an Karamel, Nuß, Kräutertee und später auch an Terpentin (\"Firne\"). Im Laufe der Zeit werden diese Geschmackstöne immer deutlicher, während sich jegliche Frucht verabschiedet. Ganz am Schluß ist außer den Alterstönen und der Säure (die sich aber unter Umständen auch abschleifen kann) nicht mehr viel oder gar nichts mehr da, der Wein wirkt nur noch alt, müde und muffig, im schlimmeren Fall sind noch pilzige Noten (\"Champignonfarm\") dazugekommen. Das kann nach 20, 30, aber auch erst nach 50 Jahren der Fall sein. Ich habe schon schon 59er getrunken, die für mich noch einen gewissen Charme besaßen. Aber das ist auch alles eine Frage des subjektiven Geschmacks - was für den einen schon mausetot ist, macht dem anderen noch jede Menge Spaß. Wann ein Wein \"gekippt\" schmeckt, muß letztlich jeder für sich enstcheiden, völlig objektive Anhaltspunkte gibt es dafür nicht. Allerdings hatte ich schon Weine im Glas, die auf Grund ihrer extremen Terpentin- und Muffnoten für jeden in der Runde nicht mehr mit Freude zu genießen waren - irgendwann ist auch für den Unempfindlichsten die Grenze erreicht.....

\"Wie Essig\" ist mir übrigens bei einem ursprünglich fehlerfreien Wein noch nie untergekommen, auch nicht in sehr hohem Alter. Auf der ungeöffneten und mit einem noch intakten Verschluss versehenen Flasche mutiert Wein nicht zu Essig.

Also, probiere deine Weine einfach und berichte möglichst mal (kurz?) über deine Erfahrungen!

Beste Grüße

Marigaux


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Mitglied seit 21.08.2003
1.117 Beiträge (ø0,15/Tag)

Hallo.
Als Anfänger im Bereich Wein kann man Wissen bezüglich recht alter Weine und dem richtigen Genuß natürlich nicht haben und die Frage zeigt ja doch, daß Du gewisse Ambitionen hast, Weingenießer zu werden. Also schauen wir mal, wie wir Dir helfen können:
Starke Fehltöne wie Essigstich können einen Hinweis auf ein Umkippen des Weines sein, ebenso vollkommener Verlust der Aromen oder stark chemische Noten (Petrol, Jod).
Allerdings kann es auch ein Zeichen sein, daß ein Wein, vor allem Rotweine können dies zeigen, in einer Zwischenphase sind und noch mal nachreifen. Diese kann sich aber auch nur auf einzelne Flaschen beziehen, also nicht verzweifeln und direkt alle Flaschen entsorgen wollen.
Sollte der Fehlton durch Lüften nachlassen, dem Wein ruhig etwas Zeit außerhalb der Flasche geben und in regelmäßigen Abständen probieren.
Schlußendlich hilft nur Probieren, und grade bei alten Rieslingen und anderen hochwertigen Weißweinen können sich in der Nase Alterungsnoten (Firn genannt, erinnert ein bißchen an Terpentin) zeigen, die durchaus typisch fürs Alter, aber nicht jedermanns Sache sind. Trotzdem sind diese Weine noch genießbar. Geschmacklich hat man einen Eindruck wie bei Sherry.
Bei sehr alten Bordeaux z. B. sind Gerüche, die man mit dem Begriff \"Waldboden\" beschreibt auch als typisch angesehen. Gemeint sind Nuancen, die an Mulch oder pilzartige Aromen erinnern. Dies trifft auch meines Wissens nach auf ältere Burgunder und große Italiener zu.
Wichtig bei alten Weinen ist meiner Erfahrung nach, diese vorsichtig zu behandeln: Nicht zu schnell auf Trinktemperatur bringen, starke Erschütterungen der Flasche vermeiden und auch die Glasgröße sollte man passend auswählen, alte Weine verlangen normalerweise nach etwas kleineren Gläsern als vergleichbare jüngere Jahrgänge, damit das Aroma, was sehr filigran sein kann, nicht direkt verfliegt und man nur noch die Altersnoten im Glas hat. Zu klein sollte das Glas wiederum auch nicht sein.

Aber es sind ja noch mehrere Herrschaften hier im Forum unterwegs, die regelmäßiger als ich alte Weine zu sich nehmen, vielleicht haben sie noch den ein oder anderen Tip.
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Mitglied seit 21.08.2003
1.117 Beiträge (ø0,15/Tag)

Ach, Marigaux war mal wieder schneller...
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Gelöschter Benutzer

Mitglied seit 12.03.2005
3.412 Beiträge (ø0,49/Tag)

Jambala, das ändert aber nix an der Vernünftigkeit der von dir geschriebenen Zeilen Lachen . Alles paßt soweit mit meinen Erfahrungen zusammen. Allerdings wähle ich auch für meinen olleren Weine (Rieslinge) große Gläser. Und sehr oft ist es wirklich sinnvoll, diese alten Kameraden vorher ordentlich zu lüften (sprich zu dekantieren). Der eine oder andere Muffton verschwindet dann unter Umständen.

Beste Grüße

Marigaux
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Mitglied seit 06.01.2007
104 Beiträge (ø0,02/Tag)

Achtung lang!

Sorry jambala,

aber

<Starke Fehltöne wie Essigstich können einen Hinweis auf ein Umkippen des Weines sein> und dann
<Allerdings kann es auch ein Zeichen sein, daß ein Wein, vor allem Rotweine können dies zeigen, in einer Zwischenphase sind und noch mal nachreifen.>

ist absolut unmöglich. Was auch Marigaux sagt. Acetat bleibt vielleicht mal stehen, ist aber vorhanden und von vorneherein bedenklich, normalerweise vermehrt sich das aber auch noch.... ein essigstichiger Wein wird niemals besser, kann gar nicht. Das ist ein irreparabler Weinfehler, den ich, trotz des immer noch immensen Aufruhrs, den der legendäre 1947er Cheval Blanc macht, auch bei dem eigentlich nicht toleriere. Ansichtssache bei diesem Wein, ihr könnt mich auslachen, aber hätte ich den im Keller, würde ich ihn sofort verkaufen. Den 59er Latour aber nur über meine Leiche.

Wenn ein Riesling Petroltöne hat, ist das wirklich im Ermessen des Kosters, ob er das mag. Wenn die Altersfirne sich in starken Oxidationsnoten äußert (Sherryton, eigentlich spricht man aber von madeirisiert), ist er hinüber. Da können die alten Briten sagen, was sie wollen. Aber bitte dennoch: wenn es dem Betreffenden schmeckt, ok. Altersnoten sind per se keine Weinfehler.

Unterholz (Mulch) und Pilznoten aber sind schon für viele junge Burgunder typisch, auch für die ganz guten deutschen Weine. Bei Bordeaux deuten sie auf einen höheren Merlotanteil hin. No problem, will ich im Keller haben... Überhaupt sind viele Muff- und sogar korkähnliche Töne ein Reduktiv-Ton (meist Thiole) , der durch Belüften i.d.R. verschwindet. Aber: bei Weinen über 40 Jahren wäre ich mit dem Dekantieren sehr vorsichtig. So mancher schon fragile Wein bricht dann zusammen. Ich würde dafür plädieren, dass man nach dem Öffnen einen Schluck kostet (dadurch wird schon genügend Luft für später zugeführt), nach 10 Minuten noch einmal kosten. Und dann einschätzt, was man weiter tut. Ich wünsche jedem Weinliebhaber von ganzem Herzen, dass er immer die richtige Wahl trifft.

Ansonsten bin ich von deinen und Marigaux´ Ausführungen wirklich begeistert, so kompetent, ausführlich und verständlich habe ich das eigentlich noch nirgendwo gelesen. Kompliment.

Und zum Schluss *ups ... *rotwerd*

@BeneB-Block:

einfach, aber länglich zusammengefasst:

von außen kann man einen überalterten (\"gekippten\") Wein kaum erkennen, als beginnender Weinliebhaber gar nicht. Es bleibt das Kosten. Öffnen, zurücklehnen, sammeln, einen Schluck in ein größeres Glas einschenken, 1-2 Minuten nur mal schwenken. Wenn du dich nicht beherrschen kannst, gleich riechst, nicht verzagen, wenn er \"komisch\" riecht. Nach den 2 Minuten richtig reinriechen, die Gerüche langsam, aber tief durch sanftes Einatmen aufnehmen. Absetzen, zurücklehnen und sinnieren, was du riechst und ob dir das gefällt. Nochmal riechen.

Es gefällt dir
-> kosten, Vorgang wie beim Riechen, nur eben in den Mund nehmen, ZEIT LASSEN (sorry wg. der Versalien, aber meistens schlucken die Leute zu schnell), wenn möglich durch die halb geschlossenen Lippen etwas Luft einziehen (Kopf vorgeneigt halten, Zuseher unerwünscht), langsam schlucken, nachschmecken. Wenn er gefällt -> trinken und glücklich sein.

Zurück: er gefällt dir im Geruch nicht
-> 5 Minuten stehen lassen, dann nochmals kurz schwenken
a) er gefällt dir jetzt, weiter siehe oben
b) er gefällt dir nicht -> trotzdem tapfer einen Schluck kosten, Spuckgefäß in Reichweite.

a) er schmeckt dir zu deiner Überraschung -> trinken, hin und wieder reinriechen, vielleicht wirds ja besser, aber eher auf den Gaumen konzentrieren.
b) noch einmal 10 Minuten stehen lassen, dann kosten, wenn jetzt ok, siehe oben,

wenn nicht ->*achselzuck*, verschließen, in den Kühlschrank stellen, morgen noch mal probieren....wenn jetzt schmeckt, siehe oben, wenn nicht -> Gulli oder deinen liebsten Feind anrufen Na!.

Schlieren im Wein sind meist geschmacksneutral (außer sie sind braun), also nur ein optischer Fehler, zähe (fast gelatinöse) Weine sind fehlerhaft und geschmacklich unangenehm, eine leicht ölige Trockenbeerenauslese ist aber eher normal.

LG

vinophilo
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Gelöschter Benutzer

Mitglied seit 26.06.2007
957 Beiträge (ø0,15/Tag)

An alle:

Applaus, Applaus!

Werde diesen Thread ausdrucken und im persönlichen Weinführer abheften.
Weinwissen auf 2 Seiten.
Perfekt!

Gruß Frankl
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Mitglied seit 19.06.2007
13 Beiträge (ø0/Tag)

Danke für die vielen detailierten Antworten. Bin gerade so dabei mich in das Thema Wein einzuarbeiten/trinken und probier mich halt so nach und nach durch die Sammlung. Habe mittlerweile auch schon einiges gelesen aber so ganz \"banale\" Sachen findet man leider selten.
Hatte gestern Abend zwei Flaschen Silvaner von 84 (meim Geburtsjahr) und ich hätte eigentlich einen süßen schweren Weißwein erwartet. Ich glaube ich habe bereits mal eine Flasche des gleichen Weins getrunken der eben süß war. Die Farbe war sehr dunkel in Richtung bernstein. Die Flaschen gestern waren allerdings sehr sehr sauer, und sind mit einiger Standzeit immer noch schlimmer geworden hatte ich den Eindruck. Sie waren mir persönlich einfach zu sauer zum trinken und hab sie dann weggeschüttet. Habe allerdings noch ca 12 flaschen von diesem Wein und werde wohl mal noch die ein oder andere öffnen. Ich muss aber dazu sagen dass mir auch so klare saure Weißweine meist auch nicht wirklich schmecken.
Zum Glück hat eine Flasche 85er Spätburgunder aus Ungarn den Abend gerettet...
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Gelöschter Benutzer

Mitglied seit 12.03.2005
3.412 Beiträge (ø0,49/Tag)

Hallo B-Block,

Silvaner wird sehr selten restsüß ausgebaut (weil die Säure als Gegengewicht zur Süße fehlt) und ergibt im Vergleich zum Riesling eher kurzlebige Weine. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein 84er Silvaner jetzt - nach immerhin fast 23 Jahren - nicht mehr schmeckt, beträgt etwa 99 Prozent.

Ansonsten: Wenn du Fragen hast, immer her damit. Es gibt bekanntlich nur dumme Antworten. Allerdings wäre es im Zweifelsfalle günstig, wenn du etwas großzügigere Angaben über deine konkreten Weine machen könntest. Neben der Rebsorte und dem Jahrgang sind auch Anbaugebiet, Erzeuger und, falls vorhanden, Prädikat sehr wichtig, damit man sich ein einigermaßen vernünftiges Bild machen kann. Gerade hier im Forum wird in dieser Hinsicht immer sehr gerne geknausert (nach dem Motto \"Ich habe da einen Rotwein aus Frankreich...\").

Beste Grüße

Marigaux

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Mitglied seit 20.02.2013
21 Beiträge (ø0,01/Tag)

Entschuldigt bitte wenn ich diesen alten Thread nochmals hochhole.

Ich habe einen 2004er St. Supery Sauvignon Blanc, aus dem Napa Valley.

Nun habe ich ihn aufgemacht und vorsichtig gerochen. Mir kam er modrig vor. Korkig konnte nicht sein, da es sich um einen Kunststoffkorken handelte und dieser auch keinen Schaden aufzuweisen schien.
Geschmeckt hat er mir nicht. Vielleicht aber auch daher, da ich leine alten weißen Weine kenne. Der älteste Wein war ein Cloudy Bay 2009, und der hat mich fast vom Hocker gerissen.

Aber ich schweife ab Lächeln

Nun habe ich ihn 2 Tage stehen lassen, und mein Eindruck ist er schmeckt nun wie trockener Sherry oder Portwein.

Oben wurde erwähnt, wenn er ( der Wein ) nach Sherry schmeckt sei er hinüber.

Vielen Dank für einen Rat.

LG

Stefan
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Mitglied seit 07.07.2008
17.362 Beiträge (ø2,99/Tag)

Bonsoir,

den Vino wuerde ich dezent im Ausguss entsorgen... den Vino haettest Du vor ein paar Jahren trinken sollen...

Ach so... Korkgeschmack hat nicht immer etwas mit Korken zu tun... kann auch bei Schraubverschluss oder Kunststoffkorken vorkommen... Stichwort: TCA



LG
Ornellaia
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Mitglied seit 05.04.2013
2.827 Beiträge (ø0,69/Tag)

"Es wird viel zu viel Unsinn geschrieben, wie man Bordeaux genießen soll.
Die beste Methode: schlabber schlabber runter damit "

Baron Rothschild (der mit den 1er grand cru)
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Mitglied seit 04.01.2014
136 Beiträge (ø0,04/Tag)

Der Wein kann nicht "verderben". Du wirst nicht krank wenn du ihn noch trinkst, er schmeckt ganz einfach nicht mehr.

Die meisten weine aus Californien sind nicht für eine lange Lagerung gemacht. Besonders die Weißweine nicht und Sauvignon Blanc erst recht nicht. Deswegen schmeckt dein Wein aus dem Jahr 2004 auch nicht mehr. Der Plastikkorken fördert zusätzlich eine schnelle Alterung. Länger als 3-4 Jahre solltest du solche Weine nicht aufheben.

Deine Assoziation zu Sherry rührt wahrscheinlich daher, dass der Wein durch den Plastikkork stark oxidiert ist. Nachdem du ihn offen stehen lassen hast, oxidiert er noch stärker. Einen Sherry zeichnet das aus. Einen Weißwein nicht.


LG Niko
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Mitglied seit 20.02.2013
21 Beiträge (ø0,01/Tag)

Vielen Dank für eure Hilfe.

LG

Stefan
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Mitglied seit 27.10.2008
11.436 Beiträge (ø2,01/Tag)

Pfeil nach rechtsDer Plastikkorken fördert zusätzlich eine schnelle Alterung.Pfeil nach links
Pfeil nach rechts(...), dass der Wein durch den Plastikkork stark oxidiert ist.Pfeil nach links

Bzgl. dieser Behauptungen würden mich Belege aus der Fachliteratur brennend interessieren. Meines Wissens sollen Plastikkorken und Schraubverschlüsse verhindern, dass der Wein "mit der Außenwelt kommuniziert" und sie schließen die Flasche hermetischer ab als der klassische Korkverschluss. Natürlich kann bei solchen Verschlüssen auch kein Korkschmecker vorkommen. Gerade bei Weinen, die nicht über Jahre gelagert werden und die für einen schnellen Verzehr bestimmt sind, sind Plastikkorken und Schraubverschlüsse daher keine schlechte Wahl.

VG, turbot
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