Gedichte und Sprüche vom 30. Mai bis 5. Juni 2022

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Mitglied seit 24.07.2020
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Guten Morgen!

Ich bin ein Freund der Pflanze, ich liebe die Rose als das Vollkommenste, was unsere deutsche Natur als Blume gewähren kann, aber ich bin nicht Thor genug, um zu verlangen, daß mein Garten sie mir schon jetzt, Ende April, gewähren soll. Ich bin zufrieden, wenn ich jetzt die ersten grünen Blätter finde, zufrieden, wenn ich sehe wie ein Blatt nach dem andern den Stengel von Woche zu Woche weiter bildet; ich freue mich, wenn ich im Mai die Knospe sehe, und bin glücklich, wenn endlich der Juni mir die Rose selbst in aller Pracht und in allem Duft entgegenreicht. Kann aber jemand die Zeit nicht erwarten, der wende sich an die Treibhäuser.

Johann Wolfgang Goethe

Der Juni heißt auch Rosenmonat. Darum geht es diese Woche.

Von den heimlichen Rosen

Oh, wer um alle Rosen wüsste,
die rings in stillen Gärten stehn -
oh, wer um alle wüsste, müsste
wie im Rausch durchs Leben gehn.

Du brichst hinein mit rauhen Sinnen,
als wie ein Wind in einen Wald -
und wie ein Duft wehst du von hinnen,
dir selbst verwandelte Gestalt.

Oh, wer um alle Rosen wüsste,
die rings in stillen Gärten stehn -
oh, wer um alle wüsste, müsste
wie im Rausch durchs Leben gehn.

Christian Morgenstern

Kommt gut in die neue Woche!
Mizzi5B
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Mitglied seit 09.01.2009
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Guten Morgen zusammen,

mich begeistert die Rosenblüte jedes Jahr aufs Neue, deshalb danke für das schöne Thema!

Und gleich nochmals Goethe:

In der Hoffnung, meine Liebe heute bei mir zu sehen,
fang ich den Tag an, schicke ihr eine schöne Rose und wünsche,
daß ihr meine Neigung immer so schön vorkommen möge,
als diese Blume aussieht.
Johann Wolfgang von Goethe, Briefe an Charlotte von Stein


Gedichte Sprüche 30 Mai 5 Juni 2022 2434988696


Als Allerschönste bist du anerkannt,
Bist Königin des Blumenreichs genannt;
Unwidersprechlich allgemeines Zeugnis,
Streitsucht verbannend, wundersam Ereignis!
Du bist es also, bist kein bloßer Schein,
In dir trifft Schaun und Glauben überein;
Doch Forschung strebt und ringt, ermüdend nie,
Nach dem Gesetz, dem Grund Warum und Wie.
Johann Wolfgang von Goethe


Lieben Gruß, Alex
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Mitglied seit 24.07.2019
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Guten Morgen miteinander,

Wilde Rosen

Es hat mein Herz sich müd gestritten.
Heut geb’ ich’s frei, - was werden mag!
Der Frühling kommt einhergeschritten.
Verträumen will ich diesen Tag!

Froh lös’ ich meiner Sorge Schleier;
Mein Blick wird frei, - o blaues Zelt,
Wie bist du schön in deiner Feier,
Wie bist du schön, du junge Welt!

Walddüfte strömen rauschend nieder,
Die Büsche stehn mit Duft beschneit;
Die wilden Rosen knospen wieder,
Die Freunde meiner Jugendzeit.

O Jugend, - liebe, tote Zeiten!
Von meinen Wimpern tropft es heiß;
Und träumerisch im Weiterschreiten
Brech’ ich vom Stamm das Knospenreis.

An meiner Brust hab’ ich’s getragen.
Mit ihm geschwärmt, talaus, talein,
Nun, da die Nacht mich heimverschlagen,
Steht’s vor mir in der Lampe Schein.

Da trägt mich’s wie auf heil’gen Lüften?
Mein Lied und meine Seele glüht;
Und vor mir sind mit zarten Düften
Die wilden Rosen aufgeblüht.

Frida Schanz

L. Gr.
Pampelmousse
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Mitglied seit 24.07.2020
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Hallo!

Alex, sehr gerne!
Rosenkäfer sind auch schon da. Sie sind das Sahnehäubchen. 😊

Am 20. 2. 1832 schreibt sich sein Gärtner die Arbeits-Anweisungen Goethes auf, in denen es u. a. heißt:

Reinigung der Rosen-Wände vom dürren und überflüssigen und Anbindung des Nöthigen.

"Hier hilft nun weiter kein Bemühn!
Sind Rosen, und sie werden blühen".


Die Rose ist das höchste Liebezeichen,
Dem Herzensfreund will ich die Rose reichen.

Gedanken sterben im Gefühl der Liebe,
Wie Gartenblumen vor der Ros' erbleichen.

Die Rose trägt den stillen Dorn am Herzen,
Weil nie die Schmerzen von der Liebe weichen.

Ein einzig Bild der Schönheit ist die Rose;
Was gleichet ihr in Erd' und Himmels Reichen?

Der vollen Rose gleicht an Pracht die Sonne,
Und alle Blättlein siehst du Monden gleichen.

Der Sonne Lichtrad ist in ihr gerundet,
Und hundert Monde rollen dran als Speichen.

Die Sonne, die aus Monden wuchs, die Rose,
Dem Herzensfreund will ich die Rose reichen.

Rumi
(in der Übersetzung von Friedrich Rückert)

Viele Grüße
Mizzi5B
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Mitglied seit 09.01.2009
19.468 Beiträge (ø3,46/Tag)

Guten Morgen zusammen,

hier kommt das Sahnehäubchen, in Form eines Rosenkäfers:

Gedichte Sprüche 30 Mai 5 Juni 2022 238799673



Der Wind und die Rose

Kleine blasse Rose!
Der Wind, von Luv, der lose,
der dich zerwühlte,
als wär dein Blatt
das Kleid von einer Hafenfrau –
er kam so wild und kam so grau!

Vielleicht auch fühlte
er sich für Sekunden matt
und wollt in deinen dunklen Falten
den Atem sanft verhalten.
Da hat dein Duft ihn so betört,
berauscht,
daß er sich bäumt und bauscht
und dich vor Lust zerstört,
daß er sich noch mit deinem Kusse bläht,
wenn er am bangen Gras vorüberweht.

Wolfgang Borchert



Gedichte Sprüche 30 Mai 5 Juni 2022 3518084328


Lieben Gruß, Alex
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Mitglied seit 24.07.2019
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Guten Morgen allerseits,

Dorotheas Rosen

I.

Sie stand im Glutenschimmer
Blühend und wunderbar:
"Präfekt, den Göttern nimmer
Bring' ich ein Opfer dar;
Nur Einer, dem ich diene,
Thronend im Himmelszelt..."
Doch er, mit stolzer Miene:
"Des Kaisers ist die Welt.

„Ich muß dein Urteil sprechen
Nach Kaisers Machtgebot;
Den eitlen Starrsinn brechen
Soll flammenglüher Tod.
Doch um dein blühend Leben,
O Maid, wie dauert's mich!"
Und sie: "Dem Herrn ergeben,
O Welt, veracht' ich dich." —

Die Schergen des Gerichtes
Hin zerren sie ergrimmt.
In einem Meer des Lichtes
Ihr dunkles Auge schwimmt:
"Weit offen, seht, die Pforten,
O wundervolle Schau!
Mein Heiland wartet dorten
Auf lichter Rosenau." —

"Kein Röslein, glühe Kohlen
Siehst du, verlor'nes Kind;
Schon brennen dir die Sohlen,
Der Rauch wohl macht dich blind.
Doch wenn dort Rosen blühen,
So schick' mir einen Strauß!"
Sie nickt: und Flammen sprühen
Hoch über's Haupt hinaus.

II.

Zur Ruhe ging der Richter,
In Traurigkeit versenkt;
Halb wach, halb träumend spricht er:
"Ob sie der Rosen denkt?"
Da — wie vom Sonnenglanze
Ward hell das Schlafgemach;
Mit duft'gem Blumenkranze
Ein Engel stand und sprach:

"Aus blühendem Gefilde
In der Glücksel'gen Land
hat Dorothea's Milde
Zu dir mich hergesandt;
Nimm hin, was sie dir sendet
Aus ihren Himmelsau'n!"
Doch wie den Blick er wendet,
Kein Bote war zu schau'n.

Die Rosen nur des Kranzes
Er in den Händen hielt,
Voll überird'schen Glanzes
Von Himmelsduft umspielt;
Da hat in heißem Sehnen
Er Gottes Ruf erkannt:
Und der Versöhnung Tränen
Fallen ihm auf die Hand.

Johannes Rothensteiner

L. Gr.
Pampelmousse
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Mitglied seit 24.07.2020
1.139 Beiträge (ø0,81/Tag)

Hallo!

Alex, vielen Dank! 🤗
Und auch für die anderen schönen Fotos!

Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.

Sie war doch sonst ein wildes Kind;
Nun geht sie tief in Sinnen,
Trägt in der Hand den Sommerhut
Und duldet still der Sonne Glut
Und weiß nicht, was beginnen.

Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.

Theodor Storm


Als voller Kummer
Den Hügel ich hinanstieg
Die Rosenblüten!

Yosa Buson


Gehst du außen Mauern entlang, kannst du die vielen Rosen

Gehst du außen Mauern entlang,
kannst du die vielen Rosen nicht schauen
in dem fremden Gartengang;
aber in deinem tiefen Vertrauen
darfst du sie fühlen wie nahende Frauen.

Sicher schreiten sie zwei zu zwein,
und sie halten sich um die Hüften, -
und die roten singen allein;
und dann fallen mit ihren Düften
leise, leise die weißen ein...

Rainer Maria Rilke

Viele Grüße
Mizzi5B
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Mitglied seit 24.07.2019
4.532 Beiträge (ø2,55/Tag)

Guten Morgen,


Die Tage der Rosen

Noch ist die blühende, goldene Zeit,
O du schöne Welt, wie bist du so weit!
Und so weit ist mein Herz und so klar wie der Tag,
Wie die Lüfte, durchjubelt von Lerchenschlag!
Ihr Fröhlichen, singt, weil was Leben noch mait:
Noch ist die schöne, die blühende Zeit,
Noch sind die Tage der Rosen!

Frei ist das Herz, und frei ist das Lied,
Und frei ist der Bursch, der die Welt durchzieht,
Und ein rosiger Kuß ist nicht minder frei,
So spröd' und verschämt auch die Lippe sei.
Wo ein Lied erklingt, wo ein Kuß sich beut,
Da heißt's: Noch ist blühende, goldene Zeit,
Noch sind die Tage der Rosen!

Ja, im Herzen tief innen ist alles daheim,
Der Freude Saaten, der Schmerzen Keim.
Drum frisch sei das Herz und lebendig der Sinn,
Dann brauset, ihr Stürmer, daher und dahin!
Wir aber sind allzeit zu singen bereit:
Noch ist die blühende, goldene Zeit,
Noch sind die Tage der Rosen!

Otto Roquette

L. Gr.
Pampelmousse
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Mitglied seit 13.10.2011
13.497 Beiträge (ø2,92/Tag)

»Sie sagte, dass sie mit mir tanzen würde, wenn ich ihr rote Rosen brächte,« rief der junge Student; »aber in meinem ganzen Garten gibt es keine einzige rote Rose.« ...


Hallo zusammen,
wegen ©, verlinke ich den Text und das Hörbuch zu Oscar Wildes "Die Nachtigall und die Rose"..

In Textform übersetzt von Nadine Stark, im Jahre 2004:
Die Nachtigall und die Rose

..und als Hörspiel:
Oscar Wilde: Die Nachtigall und die Rose | HÖRBUCH | AUDIOBOOK


Fühlt Euch alle lieb gegrüßt 🌹 Meri
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Mitglied seit 09.01.2009
19.468 Beiträge (ø3,46/Tag)

Guten Morgen zusammen,

Mizzi, sehr gerne!


Die gelbe Rose

Spätsommertag. Berlin in klarer Bläue.
Ihr Gleise sauste die Elektrische.
Der Schaffner zog. Gleich kam die Haltestelle.
Ein zartes Fräulein, ganz in Weiß, stand auf,
So fein und lieblich wie die gelbe Rose,
Die locker in dem Schloß des Gürtels hing.
Ein Bremsenruck. Die junge Dame schwankte
Ein wenig hin und her, als sie den Wagen
Eilig verließ. Von der Erschütterung
Glitt unbemerkt der duftige Schmuck zu Boden.
Blieb liegen ... Wer denn achtete darauf?
Das Fräulein winkte mit dem Sonnenschirm
Der Freundin, Gruß und leichtes Händeschütteln –
Und weiter sauste die Elektrische.
Der Kondukteur, ein junger Mensch, dem hart
Des Kampfes Furchen schon die Stirn zerschnitten,
Durchschritt sein Reich und hob die Rose rasch
Vom Fußbrett, kehrte zum Perron zurück,
Sog einen Augenblick den süßen Hauch
Und hielt so freudeheimlich in der Hand
Den lichtdurchschimmert seidenweichen Kelch ...
Nur ein Moment. Dann steckt er sie behutsam
Am Rückengitter seines Platzes fest,
Wo seltsam sie die Nüchternheit des Raumes
Verklärte, nahm die Rolle, zog dem neuen
Fahrgast das folgende Billett heraus,
Beugt sich zurück: »Gestatten Sie«, hängt schnell
Die Oberleitung um – und sausend ging's
In andre Gegend, andre Menschenwelten.
Karl Henckell

Gedichte Sprüche 30 Mai 5 Juni 2022 2256211377


Lieben Gruß, Alex
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Mitglied seit 24.07.2019
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Guten Morgen miteinander,


O ihr dunkelroten Rosen

O ihr dunkelroten Rosen,
Ihr tragt Schuld, das ich mit Beben
Süßbetäubt von eurem Dufte,
Seinem Bitten nachgegeben.

Seinem Bitten, seinem Flehen,
Das die Seele mir berauschte,
Schuld tragt ihr, daß ich geheime
Herzenssprache mit ihm tauschte.

Aus des Glückes kaum verwehter,
Kurzer, weltvergessner Stunde
Weht das Echo seiner Lieder
Kosend noch aus Blumeninunde.

Süß und schmeichelnd noch im Sterben
Flüstert ihr des Spenders Grüßen,
Müßt dann euer stummes Werben
Mit dem Blumentode büßen.

Hütets sicher, mein Geheimnis,
Nimmer werd' es euch entrissen,
Außer ihm und mir und euch solls
Auf der Welt kein einz'ger wissen.

Nehmt, wenn eure Blätter sterben,
Mit hinweg von dieser Erde,
Daß von eines Menschen Zunge
Nimmer es entheiligt werde.

O ihr dunkelroten Rosen,
Muß mein Traum mit euch vergehen,
Laßt noch einmal eures Spenders
Grüße sterbend mich umwehen.

O ihr dunkelroten Rosen,
Ihr tragt Schuld, daß ich mit Beben,
Süßbetäubt von eurem Dufte,
Ihm den ersten Kuß gegeben.

Marie Paschke-Diergarten

L. Gr.
Pampelmousse
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Mitglied seit 24.07.2020
1.139 Beiträge (ø0,81/Tag)

Hallo!

Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;
unzählig blüh'n die Rosen
und ruhig scheint die gold'ne Welt:
oh dorthin nimmt mich purpurne Wolken
und möge droben in Licht und Luft
zerrinnen mir Lieb' und Leid!

Friedrich Hölderlin


Lebenspflichten

Rosen auf den Weg gestreut,
Und des Harms vergessen!
Eine kleine Spanne Zeit
Ward uns zugemessen.

Heute hüpft, im Frühlingstanz,
Noch der frohe Knabe;
Morgen weht der Todtenkranz
Schon auf seinem Grabe.

Wonne führt die junge Braut
Heute zum Altare;
Eh die Abendwolke thaut,
Ruht sie auf der Bahre.

Ungewisser, kurzer Daur
Ist dies Erdeleben;
Und zur Freude, nicht zur Traur,
Uns von Gott gegeben.

Gebet Harm und Grillenfang,
Gebet ihn den Winden;
Ruht, bey frohem Becherklang,
Unter grünen Linden.

Laßet keine Nachtigall
Unbehorcht verstummen,
Keine Bien', im Frühlingsthal,
Unbelauschet summen.

Fühlt, so lang es Gott erlaubt,
Kuß und süße Trauben,
Bis der Tod, der alles raubt,
Kommt, sie euch zu rauben.

Unser schlummerndes Gebein,
In die Gruft gesäet,
Fühlet nicht den Rosenhayn,
Der das Grab umwehet.

Fühlet nicht den Wonneklang
Angestoßner Becher;
Nicht den frohen Rundgesang
Weingelehrter Zecher.

Ludwig Heinrich Christoph Hölty

Viele Grüße
Mizzi5B
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Mitglied seit 09.01.2009
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Guten Morgen zusammen,


Sphinx in Rosen

Umschattet von des Gartens Riesenbäumen,
Ruht eine Sphinx aus blendend weißem Steine,
Leicht überhaucht vom warmen Widerscheine
Der tausend Rosen, die sie dicht umzäunen.

Verdrossen, finster und in dumpfem Träumen,
So brütet starr sie über das geheime,
Das ewige Rätsel. Und der Blüten eine,
Sich schalkhaft wiegend, spricht: »Was willst du säumen?

So find und gib uns endlich doch die Lösung!«
Im Winde schaukelten die andern Rosen.
Da, gräßlich, klang das eine Wort: Verwesung.

»Nein, Liebe ists!« erwiderten die losen;
»Laß dirs gesagt sein, greulichste der Katzen.«
Doch schmeichelnd küßten sie des Untiers Tatzen.

Detlev von Liliencron


Lieben Gruß, Alex
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Mitglied seit 24.07.2019
4.532 Beiträge (ø2,55/Tag)

Guten Morgen allerseits,


Die beiden Rosen

Die Hagerose

Wie ich die buhlerische Schwester höhne,
Die hier sich neben meiner Hecke brüstet!
Sie dankt sich selbst dem Witz der Menschensöhne,
Indes Natur allein mich ausgerüstet.
Nun blüht sie voll und üppig zwar, die schöne,
Doch bald im Herbste steht sie da verwüstet,
Ein leerer Stengel, und sie selbst verschwunden,
Wenn süße Frucht noch wird bei mir gefunden.

Die gefüllte Rose

Ich prang im Beet mit tausend goldnen Scheiben,
Was schiltst du? Bleib an deinem dorn’gen Hage!
Mich, die die Erde läßt im Safte treiben,
Mich, die der Wind umneckt mit leiser Klage,
Ja mich, von welcher alle Dichter schreiben,
Daß ich ein Meer von Duft im Herzen trage,
Mich höhnst du, die so viel vermag zu gelten,
Und unnatürlich wagst du mich zu schelten?

Die Hagerose

Blick um dich her im Garten, im Gefilde!
Es blüht der Pfirsichbaum, doch nicht vergebens,
Die Rebe würzt mit Wohlgeruch, die milde,
Doch sie verleiht auch ew’gen Trank des Lebens;
Das Tier der Flur, das zahme wie das wilde,
Genießet keines flüchtigen Bestrebens:
Erneutes Wesen quillt aus ihrem Triebe,
Doch ohne Frucht ist deine böse Liebe.

Die gefüllte Rose

Dir zwar verdank ich all mein Sein auf Erden,
Und mir verdankt kein andres Sein das seine,
Mir gönnt Natur, auch nutzlos froh zu werden,
Den Kreis zu schließen, den sie zog, die Reine:
Ruft nicht ein Bildner menschliche Gebärden
Verklärt hervor aus einem bloßen Steine?
Bewundrung muß sich den Gestalten beugen,
Die nichts, weil sie vollendet sind, erzeugen.

Die Hagerose

Du rühmst mit Recht die Kunst, o schnöde Schwester!
Du rufst sie an, du hast ihr viel zu danken:
Sie knüpfte dich an ihre Stäbe fester,
Du würdest ratlos sonst im Beete schwanken.
Ich trag im Laube wilde Vogelnester,
Um öde Felsen schling ich meine Ranken,
Wer dort mich findet, wird ans Herz mich drücken,
Du wirst im Garten wenige beglücken.

Die gefüllte Rose

Mich aber wird zu preisen nie vergessen,
Wem Sinn für das Vollkommene gegeben,
Man wird aus mir das feinste Wasser pressen,
Man wird aus mir die schönsten Kränze weben:
Die Götter selbst, ich darf mich rühmen dessen,
Die Götter führen ein unsterblich Leben
In dieser Blätter duftigem Gewimmel,
In meiner Knospe schläft der ganze Himmel.

August von Platen

L. Gr.
Pampelmousse
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Mitglied seit 24.07.2020
1.139 Beiträge (ø0,81/Tag)

Hallo!

Ballade

Ein Röslein stand im Garten,
Ein Röslein rot wie Blut,
Das brach er spät am Abend
Und steckt's an seinen Hut.

Er brach's recht unmanierlich,
Frug nicht, ob's auch erlaubt,
Da hat der Sturm im Zorne
Ihm Blum' und Hut geraubt.

Die Wog' hat sie verschlungen;
Nun spielt in tiefer Flut
Die Nixe mit dem Röslein,
Der Weißfisch mit dem Hut.

Joseph Victor von Scheffel


Falter und Rose

Ein Falter, der begehrte
Die Rose. Loser Knab’!
Die Rose aber wehrte
Sein stürmisch Werben ab.
Und wie er fort auch mühte sich,
Und keinen Deut die Blüte wich, —
Ei, hüte dich!

’s war eine Wasserrose,
Die ihm so gut gefiel. —
Jetzt trotzte er im Moose,
Gab scheinbar auf sein Spiel.
Doch sann der kleine Wüterich:
Bis nur der Tag verglühte sich,
Dann hüte dich.

Und als die Nacht vom Hügel
Herabstieg, — voll Begier
Spannt er die Pracht der Flügel
Und flatterte zu ihr
Doch sein Triumph verfrühte sich! —
Es schloß ganz leis’ die Blüte sich,
Jetzt — hüte dich.

Rainer Maria Rilke


Wer mag:
Rainer Maria Rilke, Les Roses XXIII
http://www.luxautumnalis.de/rainer-maria-rilke-les-roses-xxiii/

Viele Grüße
Mizzi5B
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