Gedichte und Sprüche vom 11. bis 17. Juli 2022

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Mitglied seit 24.07.2020
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Moin!

Wenn jemand eine Reise tut
so kann er was erzählen,
drum nehm ich meinen Stock und Hut
und tät das Reisen wählen.

Matthias Claudius

Ab in den Urlaub!
Ferien, Reisen, Sommerfrische. Darum geht es in dieser Woche.

Die Kunst, richtig zu reisen

Entwirf deinen Reiseplan im großen – und laß dich im einzelnen von der bunten Stunde treiben.
Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt – sieh sie dir an.
Niemand hat heute ein so vollkommenes Weltbild, daß er alles verstehen und würdigen kann: hab den Mut, zu sagen, daß du von einer Sache nichts verstehst.
Nimm die kleinen Schwierigkeiten der Reise nicht so wichtig; bleibst du einmal auf einer Zwischenstation sitzen, dann freu dich, daß du am Leben bist, sieh dir die Hühner an und die ernsthaften Ziegen, und mach einen kleinen Schwatz mit dem Mann im Zigarrenladen.
Entspanne dich. Laß das Steuer los. Trudele durch die Welt. Sie ist so schön: gib dich ihr hin, und sie wird sich dir geben.

· Peter Panter

Wer mag: 🙃
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/rire1897_1898/0492/image,info

Schönen Montag!
Mizzi5B
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Guten Morgen zusammen,

ich verrreise diese Woche gerne mit Euch!

Allerdings:

Reisende, meidet Bayern!

Die Verfassung sieht zwar die Deutsche Republik als ein einheitliches Gebiet an – aber die bayerische Polizei kümmert das einen Schmarrn. Sie verhängt über die Zureisenden Verordnungen und Strafen, schreibt den Reisenden eine Meldefrist vor, verlangt Einreisebewilligungen, die schwerer zu haben sind als ein Paß nach Nikaragua, und schikaniert Deutsche in der unerhörtesten Weise. Wer nicht einen nationalen Bierbauch bayerischer Provenienz hat, ist ein ›Fremder‹. Der münchner Polizeipräsident Poehner mißbraucht die bestehenden, zu Unrecht bestehenden Verordnungen zu politischen Schikanen – kurz: der nichtbayerische Reisende ist den Quälereien einer größenwahnsinnigen Partikularistenblase ausgesetzt. Dagegen gibt es eine Waffe.

Fahrt nicht nach Bayern –! Ein nicht eben kleiner Teil, besonders des südlichen Bayern, lebt von den Fremden. Wenn nun auch die Besitzer der großen Hotels in Garmisch oder Tegernsee selbstverständlich dafür sorgen, dass – durch Schiebungen bei den Gemeindevorständen – die großen Zahler unbehelligt bleiben: es widerspricht den Begriffen von Anständigkeit, wenn diese lächerliche Kahr-Regierung ihre Verfügungen bis nach Berlin heraufsendet, Papiere und Formulare vorschreibt und die Reisenden wie Kontrollmädchen dauernd unter Aufsicht hält. Warum fahrt ihr hin? Um euch belästigen zu lassen?

Schon hat sich der münchner Fremdenverein gegen diesen Unfug gewandt. Wir Norddeutsche haben es in der Hand, die bayerische Regierung zu belehren, dass sie nicht in Ungarn wirtschaftet. Denn in diesem Punkt sind auch die Bauern empfindlich – wenn sie merken, dass es an den Geldbeutel geht, werden sie tücksch. Weshalb fahrt ihr noch nach Bayern?

Es gibt andre schöne Landstriche Deutschlands, deren Verwaltungen den Reisenden das Leben minder sauer machen. Es gibt in Schlesien, im Norden, im Westen genug landschaftliche Schönheiten. Von Österreich und Tirol zu schweigen, wo die Valuta für uns günstig ist. Bayern hat kein Monopol.

Niemand von uns hat den Bayern verargt, dass sie sich dagegen schützen, von norddeutschen Schiebern ausgekauft zu werden. Davon ist hier aber nicht die Rede. Was da unten verübt wird, ist klarer Preußenhaß der dümmsten und politische Eisenstirnigkeit der schlimmsten Sorte. Aber brauchen wir das Land –?

Fahrt nicht mehr nach Bayern, wenn man euch schikaniert! Boykottiert es. Und wenn ihr schon eine längere Reise macht, dann fahrt nach Italien. Der Stand der Münze ist dort nicht allzu hoch, die Reise ist nur ein wenig teurer, und die Menschen und ihre Beamten behandeln euch anständig und höflich. Und besser als der bayerische Bundesstaat.

Wollt ihr euer Geld Leuten in den Rachen werfen, die euch belästigen?

Ignaz Wrobel


Lieben Gruß, Alex
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Guten Morgen allerseits,


Reisen

Reisen soll ich, Freunde! reisen,
Lüften soll ich mir die Brust?
Aus des Tagwerks engen Gleisen
Lockt ihr mich zu Wanderlust?
Und doch hab ich tiefer eben
In die Heimat mich versenkt,
Fühle mich, ihr hingegeben,
Freier, reicher, als ihr denkt.

Nie erschöpf ich diese Wege,
Nie ergründ ich dieses Tal,
Und die altbetretnen Stege
Rühren neu mich jedesmal;
Öfters, wenn ich selbst mir sage,
Wie der Pfad doch einsam sei,
Streifen hier am lichten Tage
Teure Schatten mir vorbei.

Wann die Sonne fährt von hinnen,
Kennt mein Herz noch keine Ruh,
Eilt mit ihr von Bergeszinnen
Fabelhaften Inseln zu;
Tauchen dann hervor die Sterne,
Drängt es mächtig mich hinan,
Und in immer tiefre Ferne
Zieh ich helle Götterbahn.

Alt' und neue Jugendträume,
Zukunft und Vergangenheit,
Uferlose Himmelsräume
Sind mir stündlich hier bereit.
Darum, Freunde! will ich reisen;
Weiset Straße mir und Ziel!
In der Heimat stillen Kreisen
Schwärmt das Herz doch allzuviel.

Ludwig Uhland

Gute Reise!
Pampelmousse
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Hallo!

Alex , Pampelmousse,
schön zusammen zu reisen! Bayern wird umschifft ... 🤗

Reisegeldgedicht

Es gibt der Worte nicht genug,
Um Heim und Heimat laut zu preisen.
Um zehn Uhr vierzig geht mein Zug.
Adieu! Adieu! Ich muß verreisen.

Mein Reisekoffer, frisch entstaubt,
Folgt seiner Sehnsucht in die Weite
Und hat mir freundschaftlich erlaubt,
Daß ich ihn unterwegs begleite.

Und Sehnsucht, Kohle und Benzin
Soll uns recht fern durch Fremdes treiben,
Damit wir denen, die wir fliehn,
Recht frohe Ansichtskarten schreiben.

Auf Wiedersehn! Ich reise fort.
Mein Reisekoffer sucht andres, andre.
Bis ich erkenne: Hier ist dort
Und neu vergnügt nach Hause wandre.

Joachim Ringelnatz


Meinem Koffer

Stämmiger Gesell
Meiner Wanderfahrt,
Dessen rostbraun Fell
All mein Gut bewahrt!

In mein Wappen tu
Ich dein Bild hinein
Und ein Spind wie du
Sei mein letzter Schrein.

In der Ecke dort
Ist dein Aufenthalt,
Nimmer sollst du fort
Auf den Speicher kalt.

Gerne dann und wann
Ruh' ich auf dir aus,
Fühle stark: Wohlan,
Hier bin ich zu Haus.

Bis der Traum mich dir
Enger noch gesellt,
Und dann fliegen wir
Über alle Welt.

Christian Morgenstern


Wer mag:
gegen abend gerieten wir - Frank Schmitter
https://www.vormbaum.net/index.php/gedichte/394

Viele Grüße
Mizzi5B
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Guten Morgen allerseits,

Mizzi 😊


Reisen zum Zeitvertreib

Ich habe von mir gestoßen
Ein liebes, ein schreckliches Weib:
Jetzt will ich auf Reisen gehen
Zum lustigen Zeitvertreib.

Besteig' ich dann ragende Berge,
So denk' ich zum Zeitvertreib:
Noch kühner war und noch schroffer
Als diese Felsen, mein Weib.

Und wenn auf den Felsen springen
Die Gemsen zum Zeitvertreib,
So denk' ich: so schlank gewachsen,
So hurtig war auch mein Weib.

Und hör' ich im dunkeln Walde
Der Nachtigallen Gesang,
So denk' ich, wie ihre Stimme
Noch tiefer zum Herren drang.

Seh' ich hier kreisende Geier,
Dort zärtlicher Tauben scherz:
So fällt mir ihr süßes Kosen,
Ihr scharfes Hacken auf's Herz.

Und find' ich bei lieblichen Mädchen
Beglückenden Zeitvertreib:
So innig beglückt mich Reine,
Wie du, mein schreckliches Weib.

Und ewig so im Entfliehen
Muss ich dir folgen, o Weib!
Wohlan, so werd' ich am Ende
Noch sterben zum Zeitvertreib.

David Friedrich Strauss

L. Gr.
Pampelmousse
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Guten Morgen zusammen,

Mizzi, einverstanden 😊


– Hurra! – Ferien –!

Hast du dies Buch in deiner Hand:
Hurra! dann gehts ins Ferienland!

Endlich mal raus aus den staubigen Straßen –
endlich die Schule hinter sich lassen –
endlich mal raus aus dem Großstadtgeschrei –
hinein in die Ferien! – Seid ihr dabei?
Hinaus in die Berge, zum Strand, hinaus ... !
Und so sieht der Tag der Abreise aus:
Morgens um sechs schrillt der Wecker durchs Haus:
»Raus aus den Betten – Rauauauau-aus!«
Und jetzt geht aber ein Gelaufe
los, ein Getrappel und Geschnaufe,
denn jeder will der erste sein:
und Lucie fällt in die Badewanne rein,
und Hans will den Papagei mitnehmen,
und heult – – »Du sollst dich wirklich was schämen!«
Und Grete hat mit Frollein Krach –
und die lieben Eltern ... ?

Ach,

die –! – –

Mama muß sich um alles kümmern –
das Telefon klingelt, die Kinder wimmern –
Mama packt und ordnet und zählt
und paßt auf, dass für unterwegs auch nichts fehlt.
Und belegt die Brote und umwickelt die Bücher
und faltet die Hemden und rollt die Tücher –
und Papa indessen in guter Ruh
sitzt auf dem Koffer, denn der geht nicht zu.

Anna, das Mädchen, geht allen zur Hand ...
Und Flops, der Hund, bellt wie nicht bei Verstand –
Und Lucie will den Baukasten mit den Steinen
mitnehmen und fängt deshalb an zu weinen – –
Und Hans hat Angst, den Zug zu versäumen,
Und Grete will die Puppenstube ausräumen ...
Und Papa indessen in guter Ruh
sitzt auf dem Koffer, denn der geht noch immer nicht zu.

Acht Uhr fünf! Es ist höchste Eisenbahn!
»Ist das Auto schon da?« – »Tritt nicht in das Porzellan!«
Flops heult – ihm trat einer auf den Schwanz ...
Und Papa indessen in guter Ruh
freut sich: denn nun ist der Koffer zu –!

Uff! Nun sitzen sie alle im Wagen!
Anna! Grete! Lucie! Hans!
»Was wollt ich denn dem Mädchen noch sagen?«
Lucie will wissen, wie lange wir fahren –
Hans zieht grad Greten an den Haaren –
Im Kopf der Mama fällt indessen
eine Klappe herunter: »Zurück!
Wir haben die Schlüssel vergessen!«

Alle sind mächtig aufgeregt –
Wohin hat Mama die Schlüssel gelegt –?
Als sie zurück in die Wohnung kommen,
da hat keiner die Schlüssel weggenommen –
die liegen brav auf dem Stuhl – aber auf dem Tisch
tanzt Anna, das Mädchen, mit einem Flederwisch
zum Grammophon – und vor Schreck wird sie weiß wie eine Lilie ...
Und es stürzt wieder herunter die ganze Familie!

Hin zum Bahnhof. Drei Minuten sind noch Zeit!
Ist das große Gepäck in Sicherheit?
»Seid ihr alle da?« – »Sind die Kinder drin?«
»Bedaure, mein Herr, hier kann keiner mehr rin.«

»Mutti, haben wir auch nicht die Thermosflasche vergessen?«
»Aber Hans, denk doch nicht schon wieder an Trinken und Essen!«
»Erst mal zählen: eins, zwei, drei, vier, fünf Mann!«
Achtung, es pfeift! Der Zug rückt an.
Hurra – Ferien! schreien die Kinder alle drei!
Hurra – Ferien! – und von dem Kindergeschrei:
Hurra – Ferien! vergessen Mama und Papa alle Mühn – –
Und hunderttausend vergnügte Kinder
ziehen aus Magdeburg und Stettin und Berlin
in die

– Hurra! – Ferien –!

Theobald Tiger (Beitrag für: Hurra Ferien! Ein Reisebuch für unsere Jugend.)



Lieben Gruß, Alex
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Mitglied seit 24.07.2020
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Hallo!

Der kürzeste Weg zu sich selbst führt um die Welt herum.
Hermann Graf Keyserling


Einladung zur Reise

Meine schwester mein kind!
Denk dir wie lind
Wär es dorthin zu entweichen!
Liebend nur sehn ·
Liebend vergehn
In ländern die dir gleichen!
Der sonnen feucht
Verhülltes geleucht
Die mir so rätselhaft scheinen
Wie selber du bist
Wie dein auge voll list
Das glitzert mitten im weinen.

Dort wo alles friedlich lacht –
Lust und heiterkeit und pracht.

Die möbel geziert
Durch die jahre poliert
Ständen in deinem zimmer
Und blumen zart
Von seltenster art
In ambraduft und flimmer.
Die decken weit
Die spiegel breit
In Ostens prunkgemache
Sie redeten dir
Geheimnisvoll hier
Die süsse heimatsprache.

Dort wo alles friedlich lacht –
Lust und heiterkeit und pracht.

Sieh im kanal
Der schiffe zahl
Mit schweifenden gelüsten!
Sie kämen dir her
Aufs kleinste begehr
Von noch so entlegenen küsten.
Der sonne glut
Ersterbend ruht
Auf fluss und stadt und die ganze
Welt sich umspinnt
Mit gold und jazint
Entschlummernd in tief-warmem glanze.

Dort wo alles friedlich lacht –
Lust und heiterkeit und pracht.

Stefan George: Baudelaire.

Viele Grüße
Mizzi5B
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Mitglied seit 09.01.2009
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Guten Morgen zusammen,


Auf dem Strome

Am Himmel der Wolken
erdunkelnder Kranz.
Auf schauerndem Strome
metallischer Glanz.
Die Wälder zu seiten
so finster und tot.
Und in flüsterndem Gleiten
vorüber mein Boot ...

Ein Schrei aus der Ferne –
dann still wie zuvor.
Wie weit sich von Menschen
mein Leben verlor! ...
Eine Welle läuft leise
schon lang nebenher,
sie denkt wohl, ich reise
hinunter zum Meer ...

Ja, ich reise, ich reise,
weiß selbst nicht, wohin.
Immer weiter und weiter
verlockt mich mein Sinn.
Schon kündet ein Schimmer
vom morgenden Rot, –
und ich treibe noch immer
im flüsternden Boot.

Christian Morgenstern



Lieben Gruß, Alex
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Mitglied seit 24.07.2019
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Guten Morgen miteinander,

Der Falter auf Reisen

Dem Falter, den des Schicksals Hand
Geführt in stilles Gartenland,
Sagt eines Tags die stumpfe Ruh'
Des Gartenlebens nicht mehr zu.
„Die Landluft tut mir gar nicht gut,"
Sprach er „zu träge wird mein Blut,
Mir fehlt der freie, leichte Schwung,
Ich brauche Luftveränderung.
Die Welt ist hier so eng umzogen,
Man hat sie gar zu schnell durchflogen.
Auch die Bewohner sind beschränkt,
Ein Plebs, der nur an Arbeit denkt;
Die brummigen, verbissenen Fliegen
Mit ihren ewigen Intrigen,
Die Käfer, die im staube laufen
Und sich um jeden Grashalm raufen,
Und was noch sonst um Busch und Blatt —
Ich hab' sie alle gründlich satt
Und sehne mich nach höh'rer Sphäre,
Nach einem feineren Verkehre,
Und will zu diesem Zwecke eben
Mich heut noch an die See begeben.
Dort, wie bekannt, trifft man in Massen
Die vornehmsten Insektenklassen." —
Und kurz und gut, er sagt adieu
Und flog noch selb'gen Tags zur See.
Die war, inmitten grüner Halde,
Ein hübscher, kleiner Teich im Walde,
Von krausen Weiden dicht umbuscht,
Von Sonnenfunken überhuscht,
Von Schilf und Binsen eingehegt,
Darin sich frisches Leben regt;
Die Reunion fand grade statt
Im Kursaal auf dem Mummelblatt,
Und alle Welt im höchsten Glanz
Trat an zum Schwirr- und Schwebetanz. —
Der Falter warf sich voller Lust
Dem bunten Leben an die Brust.
Patent vom Kopf zum Schwingenrand
Flog er am grünen Meeresstrand
Von früh, bis spät, die Kreuz und Quer
Hinter 'ner hübschen Libelle her.
Der machte der flotte Verehrer Freude,
Sie schwenkte kokett ihr Röckchen von Seide,
So blau und glänzend wie die Wogen.
Kam der Falter hinter ihr dreingeflogen,
Und stand denn auch recht bald mit ihm
Auf du und du und höchst intim.
Die Libellenmutter, die gute, fette,
Besah sich die Sache durch die Lorgnette,
Schmunzelte still-zufrieden und froh —
Sie war nämlich dumm wie Bohnenstroh —
Und sagte: „Schau, schau", und „gucke mal an,
Ein liebenswürdiger, junger Mann,
Ich werde ihren Umgang nicht stören,
Mögen sie ruhig zusammen verkehren." —
Doch bald darauf kam an den Strand
Eine schlanke Wespe vom Binnenland;
Sie blieb, wohl etwas ermüdet vom Fliegen,
Schmachtend auf einem Schilfkolben liegen
Und hielt dabei eifrig Umschau im Kreise .
Nach wellerfahrener Damen Weise.
So wurde sie denn mit dem Falter bekannt,
Der sie blendend schön und bezaubernd fand,
Und hatte ihn glücklich nach ein paar Tagen
Zu ihrem getreuen Ritter geschlagen.
Die kleine Libelle seufzt Weh und Ach
Dem abgefall'nen Verehrer nach,
Ihre Mutter saß da mit langem Gesichte
Und meinte: „Tz, tz, 'ne fatale Geschichte." —
Doch der windige Falter erhielt seinen Lohn:
Die Wespe war eine durchtrieb'ne Person,
Sie ließ den Falter bald Falter sein
Und fing sich einen Hirschkäfer ein,
Zwar kein so hübsches, junges Blut
Aber wohlhabend und herzensgut;
Der führte sie schleunigst zum Altar,
Und sie wurden ein ehrbares Ehepaar.
Der Falter kehrte mit reuigem Blick
Zu seiner verlassenen Liebsten zurück.
Die aber hatte in ihrem Kummer
Ersatz gefunden durch einen Brummer,
Sie schickten grad' die Verlobungskarten;
Da flog der Falter zurück zum Garten.
Dort angelangt, begab er sich schnell
In sein Stammlokal, das Rosenhotel.
Mit Jubel wurde er aufgenommen;
Er klagte, die See sei ihm schlecht bekommen,
Und erzählte der glücklichen Rosenmutter,
Es gab' dort ein scheußliches Distelfutter,
Er möcht' wieder im Abonnement bei ihr speisen,
Denn fürs erste häti' er genug vom Reisen.
Und als sie nun reichlich aufgetragen,
Ihm Heimatgefühle schwellten den Magen,
Kniff er der jüngsten Knospe ins Ohr
Und sprach zum gesamten Blumenflor,
Indem sich behaglich die Fühler reckten:
„Kinder, ich pfeife auf alle Insekten,
Besonders die da hinten am Meere;
Ich bleibe lieber in eurer Sphäre,
Da weiß man wenigstens was man hat.
Man nascht an niedlichen Kelchen sich satt,
Ihr seid zufrieden und nehmt nix Krumm,
Überhaupt ein dankbares Publikum,
Und schließlich: das Leben ist da zum Genießen.
Mahlzeit! Jetzt muss ich die Nelken begrüßen."

Josefa Metz

L. Gr.
Pampelmousse
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Mitglied seit 24.07.2020
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Hallo!

Die Nachtigall

Die Nachtigall
Singt überall,
Auf grünen Reisen,
Die besten Weisen,
Tönt süße Ruh
Den Leuten zu.

Der grüne Wald
Und Busch erschallt
Von ihrer Minne.
Mit frohen Sinne
Hört jederman
Den Vogel an.

Ich, leider, nicht,
Es bricht, es bricht,
Trotz allen Fugen,
So Vögel schlugen,
Vor Minneschmerz,
Mein armes Herz.

Ludwig Christoph Heinrich Hölty


Die Maus

Ich zog in das ruhige Zimmerchen, fünften Stock, gutes, altes Stadthotel, ein, mit zwei Paar Socken und zwei riesigen Flaschen Slibowitz für unvorhergesehene Fälle.

»Bitte«, sagte der Zimmerkellner, »soll ich das Gepäck holen lassen?!?«

»Ich habe keines«, sagte ich einfach.

Dann sagte er: »Wünschen Sie elektrische Beleuchtung?!«

»Jawohl.«

»Es kostet fünfzig Heller per Nacht. Sie können aber auch bloß Kerze haben«, sagte er in Berücksichtigung der gegebenen Umstände.

»Nein, ich wünsche elektrische Beleuchtung.«

Um Mitternacht hörte ich Geräusche von zerrissenen und zerkratzten Papiertapeten. Dann kam eine Maus, stieg meinen Waschtisch hinan und betrat das Lavoir, machte überhaupt verschiedene artige Evolutionen, begab sich sodann wieder auf den Fußboden, da Porzellan nicht zweckentsprechend war, hatte überhaupt keine festen weitausgreifenden Pläne und hielt schließlich die Dunkelheit unter dem Kasten bei den gegebenen Umständen für ziemlich vorteilhaft.

Morgens sagte ich zu dem Dienstmädchen: »Sie, eine Maus war heute nacht in meinem Zimmer. Eine schöne Wirtschaft!«

»Bei uns gibt's keine Mäuse, das wäre nicht schlecht. Woher sollte denn bei uns eine Maus herkommen?! So was lassen wir uns überhaupt gar nicht nachsagen!«

Ich sagte infolgedessen zu dem Zimmerkellner:

»Ihr Stubenmädchen ist ein freches Geschöpf. Heute nacht war eine Maus im Zimmer.«

»Bei uns gibt's keine Mäuse. Woher sollte denn bei uns eine Maus herkommen?! So was lassen wir uns überhaupt gar nicht nachsagen!«

Als ich in das Hotelvorhaus trat, betrachteten mich der Herr Portier, der Herr Hausknecht, die anderen beiden Fräulein Stubenmädchen und der Herr Geschäftsführer, wie man einen betrachtet, der mit zwei Paar Socken, zwei Slibowitzflaschen einzieht und bereits Mäuse sieht, die nicht da sind.

Auch lag mein Buch »Was der Tag mir zuträgt« offen auf meinem Tische, und ich überraschte einmal das Stubenmädchen bei der Lektüre desselben.

Unter diesen facheusen Umständen war meine Glaubwürdigkeit in bezug auf Mäuse ziemlich untergraben. Dafür hatte ich immerhin einen gewissen Nimbus eingeheimst, und man rechtete nicht mehr mit mir, ließ mir sogar kleine Schwächen passieren, drückte ein Auge zu, benahm sich außerordentlich kulant wie mit einem Kranken oder anderweitig zu Berücksichtigenden.

Die Maus jedoch erschien jede Nacht, kratzte an der Papiertapete, bestieg häufig den Waschkasten.

Eines Abends kaufte ich eine Mausefalle samt Speck, ging mit dem Instrument ostentativ an dem Portier, dem Hausknecht, dem Geschäftsführer, dem Zimmerkellner und den drei Stubenmädchen vorbei, stellte die Falle im Zimmer auf. Am nächsten Morgen war die Maus drin.

Ich gedachte nun, ganz nonchalant die Mausefalle hinabzutragen. Die Sache sollte für sich selber sprechen!

Aber auf der Stiege fiel es mir ein, wie erbittert die Menschen werden, wenn man sie einer Sache überführt, zumal eine Maus sich nicht in einem Passagierzimmer eines Hotels befinden sollte, in dem es Mäuse einfach »gar nicht gibt«! Auch wäre mein Nimbus eines Menschen ohne Gepäck, mit zwei Paar Socken, zwei Flaschen Slibowitz, einem Buche »Was der Tag mir zuträgt« und der nachts bereits Mäuse sieht, dadurch beträchtlich erschüttert worden, und ich wäre sofort in die peinliche Kategorie eines sekkanten und höchst ordinären Passagiers herabgesunken. Infolge dieser Bedenken ließ ich die Maus in einem für diese Zwecke ziemlich geeigneten Orte verschwinden und stellte meine Mausefalle auf dem Fußboden meines Zimmerchens wieder leer auf.

Von nun an wurde ich mit noch zärtlicherer Rücksicht behandelt, man wünschte mich unter keinen Umständen zu erregen, gab nach wie einem kranken Kindchen. Als ich endlich abreiste, war bei allen freundschaftliches Mitgefühl und Attachement vorhanden, obzwar ich als Gepäck nur zwei Paar Socken, zwei leere Slibowitzflaschen und eine Mausefalle mitnahm!

Peter Altenberg

Viele Grüße
Mizzi5B
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Mitglied seit 09.01.2009
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Guten Morgen zusammen,

unter diesen "facheusen Umständen" geht es weiter auf Reisen 😊.

Zum Reisen gehört Geduld, Mut, guter Humor, Vergessenheit aller häuslichen Sorgen, und daß man sich durch widrige Zufälle, Schwierigkeiten, böses Wetter, schlechte Kost und dergleichen nicht niederschlagen läßt. Adolph Freiherr von Knigge

Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, welche die Welt nicht angeschaut haben. Alexander von Humboldt

Eine Reise ist ein Trunk aus der Quelle des Lebens. Christian Friedrich Hebbel


Lieben Gruß, Alex
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Mitglied seit 24.07.2019
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Guten Morgen miteinander,

Lied vom Reisen

Willt du dich zur Reis' bequemen
Ueber Feld
Berg und Thal
Durch die Welt,
Fremde Städte allzumal,
Mußt Gesundheit mit dir nehmen.

Neue Freunde aufzufinden
Läßt die alten du dahinten,
Früh am Morgen bist du wach,
Mancher sieht dem Wandrer nach
Weint dahinten,
Kann die Freud' nicht wiederfinden.

Eltern, Schwester, Bruder, Freund,
Auch vielleicht das Liebchen weint;
Laß sie weinen, traurig und froh
Wechselt das Leben bald so bald so
Nimmer ohne Ach! und O!
Heimath bleibt dir treu und bieder,
Kehrst du nur als Treuer wieder,
Reisen und Scheiden
Bringt des Wiedersehens Freuden.

Ludwig Tieck

L. Gr.
Pampelmousse
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Mitglied seit 24.07.2020
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Hallo!

Sommeridylle

Berge und Täler sind jetzt voll von Menschen,
Welche sich Urlaub genommen haben
Und an der reinen Luft der Kurorte
Sowohl sich als ihre Angehörigen laben.

Viele hört man mit Neugierde fragen,
Ob hier noch echte Wilderer wachsen,
Welche die wirklichen Gemsen töten.
Meistens sind diese Leute aus Sachsen.

Manche baden in dem klaren Gewässer,
Wobei erwachsene Töchter nicht geizen
Mit ihren Formen, von denen man füglich
Glaubt, daß sie den Junggesellen anreizen.

Ihre Mütter stricken indes im Garten,
Wo sie Kaffee mit Honig genießen
Und sich über die Dienstboten äußern,
Welche sie in der Stadt darin ließen.

Abgesondert sitzen die Ehemänner,
Welche sich gründlich dadurch erfrischen,
Daß sie nichts von den Frauen hören,
Sondern beim Skat ihre Karten mischen.

Auf den Ruhebänken am Seeufer
Sitzen zwei Richter, welche verdauen
Und anderen Leuten durch Fachsimpeln
Ihren Sommeraufenthalt versauen.

Ludwig Thoma

...
Ich begann meine Reise unter dem Einfluße von rein phantastischen Einbildungen; während ich sie machte, erkannte ich, daß die Wirklichkeit das Zeug dazu hat, das wesentliche dieser Einbildungen zu Tatsachen zu machen; und am Schlusse der Reise bin ich schon wieder dabei, mir neue Möglichkeiten einzubilden. Kann man es mir verdenken, daß ich auch ihnen die Erfüllung erhoffe? Statt von dem Idealautomobil abzukommen, das ich mir, ehe ich jemals in einem Laufwagen gefahren war, eingebildet habe, haben mich meine Erfahrungen ihm näher gebracht, und ich glaube sogar, daß ich ihn noch erleben werde.

Wer so verwegen glauben kann, nicht wahr, lieber Doktor, der ist gesund, dessen Lebensgefühl ist gesteigert und voll Spannkraft. Wem anderen aber verdanke ich das, als dieser höchst gelungenen Reisekur? Alle Lebenskräfte sind aufgewacht, alles Verhockte, Verstockte, Faule, Grämliche ist weggeblasen, alle guten Geister der Kraft und Gesundheit sind mobil. Bewegung, Kraft- und Saftumsatz, Rhythmus und Raumüberwindung, – das hats getan. Wer die Wollust dieses Dahinrollens kennt, ersehnt sich nicht mehr die Kunst des Fliegens. Fest auf der Erde, aber wie im Sturme dahin. Jede Falte des Geländes benützend, Hügel hurtig hinauf und brausend hinab, jetzt zwischen Wiesen und junger Saat, nun durch Wälder, Flüssen entlang, über Brücken hin, Felsentore hindurch, hinter davontrabenden Herden her, in das Gassenwinklicht einer alten Stadt hinein, über Märkte weg voll Buden und Gewimmel, Schlössern, Burgen, Parks vorüber und vorbei an Pfügern und Hirten – immer den Bergen zu und plötzlich vor ihnen, da man sie doch vor wenigen Stunden grau und verschwommen, wie in einer Ferne sah, die sich dem Hinstrebenden nur immer weiter zu entziehen schien . . . Wem ich gut bin, dem wünsch ich diesen Genuß, dieses Glück. – Leben Sie wohl!

Otto Julius Bierbaum
Eine empfindsame Reise im Automobil


Wer mag:
Fliegen lernen - Franz Wittkamp
https://rundfunkdienst.ekbo.de/fileadmin/ekbo/mandant/rundfunkdienst-berlin.de/Einsichten_Texte/Einsichten_Nottmeier-August-September.pdf

Viele Grüße
Mizzi5B
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Mitglied seit 09.01.2009
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Guten Morgen zusammen,


Erster Anblick von Rom

Lange schon starrte mein Blick
Hinaus in Flur und Hügel,
Und immer nicht erschien der Wunsch,
Der sehnsüchtigen Seele.
Stille Träumerei umhüllte den Geist,
Da wendet sich plötzlich der Weg,
Und rechts erscheint der hohe Petrus-Dom,
Des Vatikans Pallast,
Und fern umher gestreut wie Hütten,
Die weltberühmte Stadt.

So ist der weite Weg nun überwunden,
Und endlich, endlich ist das erwünschte Ziel erschienen?
Und wie ich mich sammle,
Mich und die Größe des Momentes zu fühlen,
Zerrinnt in Schmerz
Das kaum gehaschte Bild,
Und alle die alten edlen Erinnrungen
Entfliehn vor der drückenden, engen Gegenwart.
Wie klein ist der Mensch,
Wie arm im Schein des Reichthums!

Schon treten die Gebäude näher,
Schon heimathlicher wird Berg und Flur,
Von alten Gemälden
Erwacht in frischern Farben das Angedenken;
Hier schon die Brücke,
Die Straße der Vorstadt,
Und rascheren Trabes
Nähern wir uns dem Pappelthor.
Wir treten ein,
Vor mir der Platz und Obelisk,
Die drei Straßen mit offnen Armen,
Ein nüchternes Licht
Erhellt unerfreulich
Tempel und Pallast.
Ich kann mich nur trösten.
Nun schnell in den Armen
Geliebter Freunde
Der Klage Laut ertönen zu lassen.
Ludwig Tieck


Lieben Gruß, Alex
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Guten Morgen allerseits,

Nachtwächters Weltgang - Empfindsame Reisen

Die Blätter rieseln von den Bäumen,
Durch kahle Stoppeln bläst der Wind,
Wie lange noch willst du dich säumen
Auf deinen Fahrten, armes Kind?
Von Thal bist du zu Thal gegangen,
In jede Hütte lugtest du,
Was mit dir ging, war dein Verlangen,
Was nirgends weilte, deine Ruh.

Und sahst du neue Berge blauen,
Ob noch so fern, ob noch so hoch,
Du mußtest doch hinüberschauen,
Du dachtest: Drüben find' ich's noch!

Verloren hast du schöne Jahre,
Vergeudet manchen schön'ren Traum,
Von deinem Haupte fall'n die Haare,
So wie die Blätter dort vom Baum.

Durch deine Seele kalt und schneidend
Weht der Erfahrung böser Ost,
Die letzte Hoffnung krümmt sich leidend
Und schauernd vor dem Winterfrost.

Die Störche ziehen froh von hinnen,
Du weißt noch nicht, wohin du gehst;
Mit ihnen kannst du nicht entrinnen,
So falle nieder, wo du stehst.

Wärm' dich an fremder Menschen Heerde,
Denn einen eignen hast du nicht,
Und träume eine Heimaths-Erde,
Wo man in fremden Zungen spricht.

Gleichgiltig drück' dich in die Ecke
Und stimm' in ihren Alltags-Scherz,
Und der Entsagung Leichendecke
Zieh' fester um dein starres Herz.

Du hast's gewollt! Du darfst nicht grollen,
Und wenn du noch so elend bist;
Denn ach! du hättest ahnen sollen,
Daß es nicht ewig Frühling ist.

Franz von Dingelstedt

L. Gr.
Pampelmousse
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